Ein guter Startpunkt ist die richtige Diagnose

Ein guter Ausgangspunkt für eine wirksame Behandlung beim Arzt ist die richtige Diagnose der Krankheit. Eckert von Hirschhausen, Arzt und Mitglied bei den Scientists for Future, hat in einem Vortrag ein sehr anschauliches Bild für den Zustand der Erde gefunden: "Wäre unser Erde ein Patient, müsste sie wegen drohendem Multiorganversagen auf die Intensivstation." Multiorganversagen deshalb, weil wir neben dem Symptom der Klimakrise z.B. auch noch das Artensterben, die Ressourcenübernutzung und die soziale Ungerechtigkeit haben. Wenn wir nicht nur Symptombekämpfung betreiben wollen, ist es wichtig, das Problem an der Wurzel anzupacken. Doch was ist die Ursache dieser Symptome der Erde?

Was ist die Klimakrise?

Fangen wir mit der Klimakrise an: Unser Klima erwärmt sich als Folge der menschgemachten Treibhausgasemissionen. Seit Beginn der Industrialisierung hat sich die Erde schon um ca. 1°C erwärmt. Seit der ersten Klimakonferenz 1992 wird auf internationaler Ebene über wirksamen Klimaschutz verhandelt, doch seitdem sind die CO2 Emissionen so stark wie noch nie in der Menschheitsgeschichte angestiegen. Alle Staaten sind sich seit der Klimakonferenz in Paris einig, dass etwas getan werden muss, aber das was die einzelnen Staaten im Moment an Treibhausgasreduktionen anbieten, reicht bei weitem noch nicht aus, um die Erderwärmung auf 2°C zu begrenzen, geschweige denn auf 1.5°C (siehe Climate Action Tracker). Und die 2°C Grenze ist wichtig, weil wir bei einer Erwärmung darüber hinaus sehr wahrscheinlich Kipppunkte im Klimasystem erreichen, die irreversible Veränderungen anstoßen, mit drastischen Auswirkungen für uns Menschen und das Leben auf der Erde. Eine gute und anschauliche Zusammenfassung über die Auswirkungen des Klimawandels und warum es wichtig ist, die Erderwärmung auf möglichst unter 2°C zu begrenzen findest Du z.B. auf dieser Webseite der Süddeutschen Zeitung. Von daher sollte Klimaschutz eigentlich besser "Menschheitsschutz" genannt werden. Dem Klima ist es relativ egal, ob es 1,5°C oder 3°C wärmer wird, aber für uns Menschen macht es einen sehr großen Unterschied, ebenso, wie es einen Unterschied macht, ob man mit 50 km/h mit einem Auto gegen eine Mauer fährt oder mit 100 km/h. Im ersten Fall kann man mit Sicherheitssystemen (Klimaanpassungsmaßnahmen) noch ganz gut für die Unversehrtheit der Passagiere sorgen, in zweiten Fall kommt man an die Grenzen des physikalisch/technisch Machbaren.

Warum fällt es uns so schwer die Treibhausgasemissionen zu reduzieren?

Veranschaulichung: Eine aufwärtsfahrende Rolltreppe herunterlaufenIn den letzten Jahrzenten haben wir es in vielen Bereichen geschafft durch technische Innovationen die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Aber gleichzeitig sind in vielen anderen Bereichen die Treibhausgasemissionen durch das Bevölkerungswachstum und vor allem auch durch das Wirtschaftswachstum angestiegen. In dieser Situation die Treibhausgasemissionen insgesamt zu reduzieren gleicht dem Versuch eine aufwärtsfahrende Rolltreppe herunterlaufen zu wollen. Die Frage ist: Wer ist schneller? In der Vergangenheit war die Rolltreppe (Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum) schneller als der herunterlaufende Mensch (technische Innovationen). Gleichzeitig ist die Abkehr von fossilen Energieträgern so schwierig, weil unsere Wirtschaft, unser materieller Wohlstand und unser Lebensstil heute sehr vom Kohlenstoff abhängig sind. Unsere Gesellschaft hängt am Tropf der fossilen Energieträger wie ein Süchtiger, weil wir noch keine allumfassende Alternative haben! Wir bauen zwar gerade nachhaltige Alternativen auf, aber sie reichen bei weitem noch nicht aus, um unseren Energiebedarf komplett zu decken.

Klimaerwärmung als Symptom

Die Große BeschleunigungDie menschgemachte Klimaerwärmung ist nur ein Symptom eines noch viel größeren Problems: Wir Menschen leben auf diesem Planeten nicht nachhaltig, nicht enkeltauglich! Im Moment verbrauchen wir Ressourcen, als hätten wir 1,75 Erden. Wenn man den Lebensstil unserer westlichen Gesellschaft global leben würde, würden wir sogar 4 oder 5 Erden benötigen, um uns nachhaltig mit Ressourcen zu versorgen. Der „Earth Overshoot Day“ (Erdüberlastungstag), der theoretische Tag, an wir alle Ressourcen für dieses Jahr verbraucht haben, war 2019 der 29. Juli. Den Rest des Jahres lebten wir auf Kosten der nachfolgenden Generationen! Und dieser Tag hat sich in den letzten Jahren um einiges nach vorne verschoben, war er noch im Jahr 2000 am 1. November. Wir leben in einer sich rasant entwickelnden Gesellschaft, die leider einige Nebenwirkungen auf das Ökosystem Erde hat, wie z.B. die Klimaerwärmung und das Artensterben. In der Wissenschaft wird die Zeit seit 1950 daher auch als die große Beschleunigung (The great acceleration) bezeichnet. Das Problem dabei ist vor allem, dass diese Entwicklung auf einem riesigen Win-Lose Game aufgebaut ist: Wir in unserer westlichen Gesellschaft gewinnen an materiellem Wohlstand, auf Kosten der nachfolgenden Generationen, auf Kosten der restlichen Welt, auf Kosten unserer Umwelt. Zusätzlich lässt der gleichzeitige starke Anstieg seit 1950 von z.B. der globalen Temperatur, den CO2 Emissionen, des Wirtschaftswachstums, des Energieverbrauchs und der Regenwaldabholzung erahnen, dass die einzelnen Symptome Klimakrise, Artensterben, Ressourcenübernutzung und soziale Ungerechtigkeit dieselbe Ursache haben. Doch welche?

Die ökologische Krise ist eine Kulturkrise!

Unsere heutige Kultur fördert durch ihre Werte und Normen die Umweltzerstörung, weil ihr eine starke Wirtschaft oft wichtiger ist, als eine intakte Natur. Heutige Wirtschaftsunternehmen sind hauptsächlich auf kurzfristiges Wachstum und Gewinnmaximierung ausgerichtet und können mit der Zerstörung und Ausbeutung der Umwelt viel Geld verdienen, weil die Kosten für die Umweltzerstörung und die Auswirkungen auf nachfolgende Generationen in unserem Geld- und Wirtschaftssystem nicht berücksichtigt werden. Und Umweltschutz ist meist mit höheren Kosten verbunden. Das kann man auch daran sehen, dass im Moment umweltbelastendes Verhalten oft günstiger ist als umweltschützendes Verhalten. Und genau daran wird für mich z.B. sichtbar, dass die Klimakrise eigentlich eine Kulturkrise ist. Wenn wir die Krise wirklich an den Wurzeln verändern wollen, brauchen wir deshalb einen Kulturwandel. Warum das so ist und was das genau bedeutet, findest Du unter Innerer Wandel.