Ein ganzheitlicher Blick auf die gegenwärtige ökologische und soziale Krise macht klar, dass die gesellschaftliche Diskussion dieser Probleme sich oft nur auf die Symptomebene beschränkt und zu wenig die eigentliche Wurzel der Krise beleuchtet wird. Im Oktober 2019 habe ich das Eisbergmodel der Kultur auf einer Konferenz von Naturwissenschaftlern, Psychologen, Sozialwissenschaftlern und Kulturwissenschaftlern im Rahmen des AMA Projektes (A Mindset for the Anthropocene) kennengelernt. Es veranschaulicht, dass die Probleme in der Welt nur die Spitze des Eisbergs sind und durch unsere Kultur, durch unsere Werte und Normen, den größeren Teil des Eisbergs unter der Wasseroberfläche, verursacht werden. Es braucht also einen tiefgreifenden Kulturwandel, wenn wir wirklich die Wurzeln der ökologischen und sozialen Krise angehen wollen. Die schlechte Nachricht ist also, dass wir auf politischer Ebene im Moment hauptsächlich Symptombekämpfung betreiben und deshalb in den letzten Jahren bei den globalen Themen nicht so viel weiter gekommen sind. Die gute Nachricht ist, dass in den letzten 50 Jahren fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit in Nischen unserer Gesellschaft eine vielfältige, bunte und selbstorganisierte Bottom-Up Bewegung herangewachsen ist, die in 2019 mit Fridays for Future in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen ist. Und in dieser Bottom-Up Bewegung findet dieser notwendige Kulturwandel bereits schon länger statt. Ein Kulturwandel hin zu einer Gesellschaft, die durch Verbundenheit, einen "guten" Umgang mit Gefühlen, Selbstwirksamkeitserfahrungen, Selbstannahme, Lebenssinn und Zuversicht ihre Resilienz steigert und damit krisensicherer wird. Diese Bewegung kann Hoffnung und Mut machen, dass wir soziale Kipppunkte erreichen und damit die Klimakrise in den Griff bekommen. Ein ganzheitlicher Blick macht deutlich, wie wichtig ein Kultur- und Wertewandel zur Lösung der ökologischen und sozialen Krise ist.
Innerer Wandel ist aber auch ein Bewusstseinswandel. Mein tägliches Handeln hat mehr oder weniger große Auswirkungen auf unsere Umwelt sowie auf unser Klima. Und mir geht es dabei nicht um Schuld oder ein Verurteilen, denn das führt uns nur zu gegenseitigen Schulvorwürfen (Die anderen verursachen doch viel mehr! Die müssen etwas ändern!). Das bring uns nicht weiter (wie in dieser Geschichte)! Es geht mir vielmehr um Selbstverantwortung, also um die Frage, kann ich mein Handeln vor mir selbst verantworten! Denn für meinen persönlichen Anteil an dem Ganzen ist nicht in erster Linie die Politik verantwortlich, die falsche Gesetze macht, oder die Autobauer, die die falschen Autos bauen, sondern es ist mein Handeln, das verantwortlich ist! Ich bin es, der sich entschieden hat zu fliegen oder Auto zu fahren. Ich habe mir meine äußeren Umstände so eingerichtet, dass ich auf das Auto angewiesen bin oder mir einen Job ausgesucht, für den ich fliegen muss. Ich kann mein Leben gestalten! Ich gestalte es jeden Tag und ich treffe jeden Tag Entscheidungen, die Auswirkungen auf mich und meine Umwelt haben. Und nur weil jeder etwas tut, von dem ich weiß, dass es schlecht für die Umwelt ist, ist das noch lange keine Rechtfertigung das ebenfalls zu tun. Mein Handeln hat Auswirkungen! Und sich das bewusst zu machen, ist für mich der erste und vielleicht auch wichtigste Schritt!
Und das heißt für mich konkret: Mich informieren, was wie viel Treibhausgase verursacht (z.B. beim CO2 Rechner des Umweltbundesamtes. Und dann schauen, wie ich meine persönliche CO2 Bilanz reduzieren kann. Ein paar Anregungen dazu findest du unter der Rubrik Handeln
Diese Frage habe ich mir oft gestellt und es war für mich eine Zeit lang eine Ausrede um nichts oder nur wenig zu ändern. Mir hat folgende Sichtweise geholfen, um ins Handeln zu kommen: Zum einen, wenn ich nur das große globale Problem sehe, dann fühle ich mich ohnmächtig und hilflos und das blockiert mich. Denn auch wenn ich es gerne können würde, ich alleine kann das globale Problem nicht lösen. Das ist einfach zu groß. Aber: Veränderung fängt immer im Kleinen an, mit dem ersten Schritt. In meinem persönlichen Umfeld kann ich etwas verändern. Da kann ich wirksam sein.
Zum anderen: Wenn ich mich als isoliertes Lebewesen sehe, dann kann ich wirklich nicht viel ändern, dann ist mein Einfluss sehr begrenzt. Aber wir sind keine isolierten Lebewesen, sondern wir sind mit anderen Menschen im Kontakt, wir können andere Menschen zum Nachdenken anregen, können andere Menschen inspirieren, wir können anderen Menschen Mut machen. Wenn ich nicht den Anspruch an mich habe, die ganze Welt zu retten, kann ich ganz viel in meinem persönlichen Umfeld bewirken. Und es gibt immer mehr Menschen, die sich auf den Weg machen, die etwas verändern, die anders leben.
Wenn wir erst dann losgehen, wenn uns jemand eine Lösung anbietet, die uns garantiert, dass wir damit die Erderwärmung unter 2°C halten können, dann werden wir nie losgehen. Es wird uns niemand garantieren können, dass wir erfolgreich sein werden, weil niemand die Zukunft vorhersagen kann. Und: Jetzt nicht los zu gehen, obwohl ich sehe, dass wir uns immer näher auf einen Abgrund zubewegen, ist eine Form von Verdrängung. Ich habe auch Angst, dass wir nicht rechtzeitig die Kurve kriegen und in den Abgrund stürzen. Aber ich sehe keine Alternative als uns jetzt auf den Weg zu machen. Denn je später wir uns auf den Weg machen, umso schwerer wird es die Erderwärmung auf 2°C zu begrenzen. Alles andere wäre prokrastinieren, aufschieben. Und Probleme lösen sich nicht durchs Aufschieben, sondern wachsen dann eher noch weiter an. Und jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt! Und jeder Schritt in die richtige Richtung ist ein wichtiger Schritt, auch wenn er uns noch nicht vom Abgrund wegbringt, so verlangsamt er doch zumindest unsere Annäherung an den Abgrund. Ich habe in den Ökodörfern erlebt, wie viel Wandel mit kleinen Schritten möglich ist. Und das macht mir Hoffnung und gibt mir Kraft.
Auch dafür kann keiner eine Garantie geben. Aber wenn wir von unten etwas verändern, übt das Druck auf "Oben" aus, auf die Politik und auf die Wirtschaft, ebenfalls etwas zu verändern. Wir können es nur schaffen, wenn auch "Oben" etwas passiert. Und wer genau hinschaut, kann sehen, dass sich in den letzten Jahren viel in der Hinsicht getan hat, dass die Themen Klimawandel und Umweltschutz immer mehr in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen sind, dass sich immer mehr Menschen in diesen Bereichen engagieren und dass sich mittlerweile auch in vielen großen Konzernen und in der Politik etwas tut. Wenn Du mehr zu diesem Thema wissen willst, schau doch mal bei "Die Klimakrise als Chance zum Wandel verstehen" vorbei.